Ich konnte über ein Jahr im Zuge des Heimatstipendiums #2, welches von der Kunststiftung Sachsen-Anhalt und der Kloster-Bergischen Stiftung gefördert wird, mit der Gedenkstätte für die Opfer der NS-„Euthanasie“ in Bernburg zusammen arbeiten. Für fünf der dort ermordeten Menschen habe ich einen Gedenkschmuck angefertigt. Mit vorhandenem Fotomaterial und Schriftstücken konnte ich mir ein Bild von der jeweiligen Person machen. Drei von ihnen wurden unter dem Deckmantel der „Euthanasie“ ermordet, zwei Opfer hatten jüdische Wurzeln. Die Recherche der Gedenkstätte und der Angehörigen war Grundlage meiner Arbeit. Die entstandenen Stücke sind der Versuch einer Annäherung an diese fünf Menschen.
Angefangen hat meine künstlerische Auseinandersetzung mit diesem schweren Thema im Januar 2020 auf der Fahrt mit einem Kleinbus, organisiert von der KST. Es war mein erster Besuch einer solchen Tötungseinrichtung. Der zweistündige Vortrag und der Gang durch die Originalräume im Untergeschoß beschäftigten mich sehr. Besonderes bewegt hat mich die Fotowand mit Porträits vieler Opfer. Dadurch werden die Menschen aus der Anonymität geholt, man schaut ihnen direkt in die Augen.
Auf dieser persönlichen Ebene wollte ich arbeiten und schnell kristallisierte sich für mich als Schmuckgestalterin das Thema Gedenkschmuck heraus. Ein solcher ist nie allgemeingültig, sondern immer personenbezogen. Bis in die Altsteinzeit läßt für den Bereich von Tod, Trauer und Erinnerung eine besondere Rolle von Schmuck belegen. Die Wahl des Materials, der Wert, die künstlerische Gestaltung und die Ikonografie sind ausschlaggebend für die Bedeutung eines rituellen Schmuckes. Die Anfertigung des Gedenkschmuckes ist der Versuch einer Annäherung an die betreffende Person.
Von der Leiterin der Gedenkstätte Frau Dr. Hoffmann wurden mir von den über 14.000 hier ermordeten Menschen 9 Biografien zur Verfügung gestellt, Für 5 Opfer ist ein Gedenkschmuck entstanden. Drei von ihnen wurden unter dem Deckmantel der Euthanasie – was auf griechisch Gnadentod oder sanfter Tod bedeuted, hier ermordet. Zwei der Opfer wurden auf Grund ihrer jüdischen Wurzeln, worauf das Aktenzeichen 14f13 einen Hinweis gibt, in Bernburg getötet.
Den Umfang der Lesearbeit hatte ich unterschätzt. Zudem war der Inhalt der Krankenakten oft schwer auszuhalten, Bei langjährigen Aufzeichnungen wird deutlich, wie sich der Ton verschärft, wie vernichtende Diagnosen gestellt werden, die dann das Todesurteil bedeuteten. Nach dem Lesen war das Arbeiten im Material für mich maßgeblich, um die Worte verabeiten zu können.
Am 20. November 2021 konnten wir die Eröffnung der Ausstellung IN MEMORIAM gerade noch durchführen.
Im Vorfeld begrüßte ich die Angehörigen von Alfred Mühlhausen und Moshe Bukspan. Für sie alle war der Weg an diesen Ort wohl der schwerste, da sie wieder die schmerzhafte Konfrontation mit dem eigenen Familienschicksal erfuhren. Es waren sehr emotionale, herzliche Begegnungen und Gespräche. Ich konnte mich bedanken, für die Zuarbeit und Offenheit gegenüber meinem Projekt. Der gesamte Austausch während des Stipendiums, auch zwischen den Mitarbeiterinnen der Gedenkstätte und mir, hat mich enorm motiviert und in meinem Tun bestärkt. Einen wesentlichen Beitrag dazu leisteten auch die Angehörigen von Ruth Rosa Mühlmann und Susette Freund, die in den USA leben und eine Videobotschaft sendeten. Diese laufen auch weiterhin in der Ausstellung, ebenso wie der #2 Heimatfilm.
Mein herzlicher Dank geht an die Kunststiftung Sachsen-Anhalt mit ihren Mitarbeitern und Kuratoren, die Kloster-Bergische Stiftung, an den Museumsverband und die Stiftung Gedenkstätten, die dieses Stipendium erst ermöglicht und gefördert haben. Besonders bedanken möchte ich mich bei Frau Dr. Hoffmann, Frau Gebauer und Frau Lucas von der Gedenkstätte in Bernburg. Sie unterstützten mich sowohl auf sachlicher als auch auf emotionaler Ebene und stellten den Kontakt zu den Angehörigen her.
IN MEMORIAM
Ausstellung 21. November 2021 – 27. Februar 2022
Di – Fr 9 – 16 Uhr und jeden ersten Sonntag im Monat 10 – 16 Uhr